Gibt es ihre Heimat noch?

Hilfe von Caritas-Mitarbeiterinnen für Geflüchtete aus der Ukraine

Kinder und Erwachsene sitzen in der Hotellobby, schauen auf ihr Handy, unterhalten sich leise, warten. Auf einem Werbeschild vor einer Bar, die geschlossen ist, steht: Liebe Gäste, nehmen Sie Platz. Nebenan geht’s zum Musical Aladin und die Wunderlampe.

Es ist Anfang April im Frühjahr 2022. Fast 500 Menschen haben im Hotel Dormero im SI-Zentrum eine erste Unterkunft gefunden. Sie sind vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet. Viele Frauen, Kinder und Jugendliche halten sich in der Lobby auf, ein Mann sitzt im Rollstuhl und eine alte Dame geht mühsam am Arm einer jüngeren Frau die Stufen hoch zu ihrem Zimmer.

Olena Sai berät Geflüchtete aus der Ukraine

In Friedenszeiten wären die Menschen, die hier dann wohl Urlaub machen würden, vermutlich aufgeregt, weil sie sich auf den Musicalbesuch am Abend freuen. Doch diese Menschen machen keinen Urlaub und gehen nicht ins Musical. Das Hotel ist für sie ein erster Ruheort und Transit zu einem Ziel, das sie noch nicht kennen.

In einem Zimmer in der Lobby, in dem man sich sonst vielleicht vor der Musicalaufführung zu einem Glas Sekt trifft, sitzen an diesem Tag zwei Caritas-Mitarbeiterinnen: Olena Sai und Olga Novosad arbeiten in der Flüchtlingshilfe beim Caritasverband. Ihre Hilfe ist in diesen Tagen gefragter denn je: Die Sozialarbeiterinnen helfen den Geflüchteten beim Ausfüllen der Formulare, versuchen auf alle Fragen eine Antwort zu geben, sie sind da für die Menschen und hören zu.

„Manche erzählen gar nichts, manche sehr viel. Sie berichten davon, dass ihr Haus zerstört ist, erzählen von der Flucht.“

Olga Novosad unterstützt Geflüchtete aus ihrem Heimatland

Olena Sai und Olga Novosad sind beide Ukrainerinnen. Olga Novosads Familie lebt im Nordwesten der Ukraine. Sie macht sich Sorgen um ihre Familie, die Bilder und Nachrichten bedrücken unendlich. Aber, so sagt sie: „Ich bin froh, dass ich hier die Menschen aus meinem Heimatland unterstützen kann.“

Laura Lamesic, Auszubildende als Kauffrau für Büromanagement, war beim Besuch im Hotel dabei und sie hat ihre Gedanken aufgeschrieben:

Heimat verloren

Vor über einem Monat begann der Krieg in der Ukraine. Menschen müssen ihr Hab und Gut zurücklassen. Männer über 18 Jahre müssen bleiben und kämpfen. Deshalb sind im Hotel Dormero vor allem Frauen, Kinder und Menschen, die krank sind oder eine Behinderung haben.

Vor dem Hotel sitzen Frauen und Kinder, denen ich auf den ersten Blick nicht ansehe, dass sie gerade aus einem Krieg flüchten. Im Hotel fahren Kinder auf einem Roller hin du her und versuchen, sich zu beschäftigen. Ihre Mütter, Schwestern, Tanten sitzen in der Lobby und warten darauf, mit Caritas-Mitarbeiterinnen zu sprechen. Auf den Tischen liegen die Formulare für die Aufenthaltsgenehmigung. Ich denke, dass das Gespräch mit den Mitarbeiterinnen den Flüchtlingen etwas Sicherheit und Hoffnung gibt. Olena Sai und Olga Novosad kommen selbst aus der Ukraine und sprechen Ukrainisch.

Ich stelle mir vor, die eigene Familie befindet sich in Lebensgefahr im Heimatland – wie viel Energie das einem rauben muss und wie groß auch die Angst ist. Ich habe großen Respekt vor unseren Kolleginnen!

Am Schwierigsten war es für mich, den Menschen ins Gesicht zu schauen und mich in ihre Lage zu versetzen. Sie alle wissen nicht, wie ihr Leben weiter geht. Müssen sie bleiben? Wann können sie nach Hause? Gibt es ihre Heimat noch? Was passiert mit ihrer Familie, die in der Ukraine geblieben ist? Die Kinder im schulpflichtigen Alter werden wohl bald eingeschult. Sie werden umgeben sein von fremden Kindern, mit denen sie vielleicht nicht sprechen können. Müssen sie Deutsch lernen?

Es ist eine sehr schwere Situation, die sehr belastend ist. Doch es ist auch schön zu sehen, wie so viele Menschen auch helfen.

Ein paar Schritte vom improvisierten Büro von Olena Sai und Olga Novosad entfernt bringt der Malteser Hilfdienst das Mittagessen für die Menschen im Hotel. Freiwillige, auch viele junge Menschen, helfen beim Austeilen. In einem anderen Speisesaal sitzt eine Gruppe von Hotelgästen, die ganz normal hier zu Besuch sind. Vielleicht die Tagung der Friedrich Naumann Stiftung besuchen, die den Titel hat: #Politik’Professionell#Planen oder sie sind hier, um abends ins Musical zu gehen: Aladin und die Wunderlampe.

Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine

(Sach-)Spenden, Wohnraum vermitteln oder ehrenamtlich Engagieren: Wenn auch Du helfen willst, besuche unsere Webseite unter Ukraine-Hilfe. Dort haben wir verschiedene Hilfe-Möglichkeiten für Dich zusammengestellt.