Heute ist Weihnachten und wir haben eine Weihnachtsgeschichte für Euch! Das Schönste ist: Sie ist wirklich wahr. Wir schenken Euch heute ein paar Erzählungen aus dem Leben einer wunderbaren Frau: Hanni Walter heißt sie, ist 84 Jahre jung und lebt seit drei Jahrzehnten in der betreuten Wohnanlage im Bischof-Moser-Haus mitten in Stuttgart und in Nachbarschaft zur Begegnungsstätte, dem BiMo.
„Ich bin dankbar dafür, dass ich dankbar sein kann“
„Ich lebe sehr gerne hier“, sagt Hanni Walter und zeigt mit jedem Arm in eine andere Himmelsrichtung: „In zehn Minuten bin ich auf dem Schlossplatz, hier in die Begegnungsstätte muss ich nur über die Straße laufen“. Und mit ihrem neuen Seniorinnenmobil, liebevoll „Turbo“ genannt, fährt sie durch die Nachbarschaft. Lächelnd. „Ich kann ja nicht mehr so gut gehen, aber mit meinem „Turbo“ habe ich so viel neue Lebensqualität bekommen. Das ist toll.“
Hanni Walter hat als junge Frau eine Ausbildung zur Fotografin gemacht. In der Zeitung las sie eine Annonce, in der eine Strandfotografin am Lido in Jesolo gesucht wurde. Hanni bewarb sich, bekam nach wenigen Tagen ein Telegramm, in dem stand: „Wir erwarten Sie!“. Sie fuhr mit dem Zug nach Italien „und beim Umsteigen in Mailand haben auf einmal alle Italienisch geredet…“ Willkommen in der großen Welt – „das macht einen weit“, sagt Hanni, heute fast 60 Jahre später.
Ella Fitzgerald und Louis Armstrong vor der Linse
Hanni Walter blieb mit ihrer Kamera unterwegs: 27 Jahre lang fotografierte sie in der Schweiz: Im Sommer in Grindelwald, im Winter in Crans Montana, die Touristen dort. Im Hotel Gstaad Palace in Gstaad hatte sie Berühmtheiten wie Louis Armstrong oder Ella Fitzgerald vor der Linse. Den König von Burundi, den sie als solchen gar nicht erkannte, lockte sie vor ihre Kamera mit einem freundlichen: „Sourire, s’il vous plait – lächeln sie bitte.“ Mit dem Geld, das sie mit ihren Bildern verdiente, zog sie in die Welt und machte „Reisen mit dem Rucksack – nach Ägypten, in die Karibik, nach Bangkok oder Bali.“ Später dann wollte sie gerne ein Porträtstudio in Zürich eröffnen, doch das hat leider nicht geklappt – und so kam sie wieder zurück in ihre Heimatstadt Stuttgart und ins BiMo.
Fotografiert hat sie nicht mehr, dafür hat sie – wie ihr Vorbild Niki de St. Phalle – Kunstwerke aus Pappmaché, Nanas, gemacht, Mosaike entworfen, Geschichten aus ihrem Leben aufgeschrieben oder, gerne zu Weihnachten, Menschen einfach so mit einem Geschenk überrascht. Vor allem letzteres fehlt ihr ein bisschen: „Ich habe niemanden mehr, den ich beschenken kann“, bedauert sie. Aber Jammern ist nicht die Sache von Hanni. Nein, gesund sei sie nicht. Und alt, das auch. Aber: „Ich wünsche mir, dass ich weiterhin so zufrieden sein kann, wie ich es bin. Eigentlich bin ich wirklich dankbar, dass ich dankbar sein kann“, fügt sie noch hinzu.
Weihnachten feiert sie heute im BiMo
Sie kommt viel ins BiMo, besucht etwa die aktuelle Stunde, in der sie sich über Fragen der Tagespolitik austauschen. Wenn sie etwas näher betrachten will, dann muss sie ihre Lupe zur Hilfe nehmen, denn sie sieht schlecht. „Ich schaue mir jetzt alles ganz genau an und sammle das dann für meine Erinnerungen, irgendwann brauche ich diese dann.“
Heute wird Hanni bei der Weihnachtsfeier im BiMo sein: Mittagessen, Kaffee und Kuchen, eine kleine Feier mit Gedichten – „singen dürfen wir ja gerade wegen Corona nicht“ – und zum Abschluss noch ein kleines Abendbrot. „Dann gehe ich nach Hause und schau noch ein bisschen fern.“
Hanni Walter könnte noch viel mehr erzählen aus ihrem Leben, aus dem, was lange her ist und dem was gestern war, als sie mit ihrem „Turbo“ durch den Aldi fuhr und die Leute angestrahlt hat, „aber das dürfen Sie jetzt vielleicht nicht schreiben“, fürchtet sie. Zum Schluss sagt Hanni und lächelt: „Wenn‘s heißen würde, heute Abend stirbst du, würd‘ ich sagen: Reicht es nicht auch noch morgen früh?“
Frohe Weihnachten, Hanni und euch allen da draußen!