Was leistet die Migrationsberatung der Caritas?

Wir haben uns mit Nadine Karim, Fachdienstleiterin Migrationsdienst im Bereich Migration und Integration unseres Caritasverbandes über die wertvolle Arbeit der Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste unterhalten. Was leisten sie? Welche Menschen nehmen die Beratung in Anspruch? Was wünschen sich die Kolleg_innen für die Zukunft von Entscheidungsträger_innen?

Wie sind die Beratungsstellen der Caritas für zugewanderte Menschen in Stuttgart organisiert? Was leisten die Einrichtungen vor Ort?

Die Migrationsberatung des Caritasverbandes für Stuttgart e.V. gibt es an drei Standorten im Stadtgebiet: In den beiden Migrationszentren in Stuttgart Mitte und in Bad Cannstatt sowie in unserem Caritaszentrum im Bahnhof Möhringen. Somit wird an möglichst vielen Orten der Zugang zum Beratungsangebot im Stadtgebiet gesteuert und den Menschen zeitnah mit geringem Anfahrtsweg eine Beratung ermöglicht. Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste sind vom Bund geförderte Programme. Die Arbeit der MBE ist unerlässlich für eine gelingende Integration neu zugewanderter Menschen in Deutschland, da ohne die Beratung häufig der Zugang zu den Regeldiensten, die Vermittlung in einen Sprachkurs und viele weitere Hürden im alltäglichen Leben für Neuzugewanderte nicht stemmbar sind.

Während der vergangenen Monate der Pandemie wurde die Bedeutung der MBE noch sichtbarer, da viele Behörden und Institutionen geschlossen hatten oder nur durch Telefon und E-Mail erreichbar waren. Die Kolleg_innen der MBE haben hier noch intensiver als zuvor die Steuerung der Integrationsprozesse forcieren und leiten müssen, da die Zugänge zur Regelversorgung zum Teil erheblich erschwert waren.

Beratungsstelle in Bad Cannstatt
Migrationszenrum in Bad Canstatt

Der Beratungsbedarf der Menschen ist sehr situativ abhänig von den Lebenssituationen, die die Menschen durchlaufen. Deutlich beobachten lässt sich ein vermehrter Anstieg an Beratungsanfragen von ehemals Geflüchteten, die keinen Anspruch mehr auf die Beratungsangebote durch Sozialarbeitende und Integrationsmanager_innen in den Unterkünften haben, aber noch lange nicht bereit sind alle Probleme und Widrigkeiten des Alltags alleine zu bewältigen.

Darüber hinaus gibt es auch einige Ratsuchende, die – obwohl sie schon viele Jahre in Deutschland leben – das Angebot der MBE benötigen und in Anspruch nehmen. Gerade für diese Zielgruppe ist die MBE eine beständige und wichtige Anlaufstelle bei Schwierigkeiten oder Herausforderungen.

Welche Erfahrungen haben Sie vom MBE/JMD-Aktionstag letztes Jahr mitgenommen?

Seit 2019 findet der MBE/JMD-Aktionstag in Stuttgart gemeinsam mit allen Trägern in der Landeshauptstadt statt. 2020 wurden Formate gewählt, die trotz der Pandemie gut umsetzbar waren: Die teilnehmenden Träger stellten sich auf ihren Online-Plattformen am Aktionstag am 23.09.2020 vor. Darüber hinaus wurden Anfang Oktober Stadtspaziergänge durch Stuttgart angeboten. Die Spaziergänge wurden von den MBE-Berater_innen der Träger angeleitet und führten die Teilnehmenden zu fünf Stationen: Besucht wurden das Welcome Center Stuttgart, die städtische Ausländerbehörde, das Hildegardisheim, das Jobcenter Stuttgart und der Sprachkursanbieter henke Schulungen. Zu den Spaziergängen waren insbesondere Kommunalpolitiker_innen, Kirchenvertreter_innen, die Integrationsbeauftragte sowie weitere Akteure im Bereich Migration und Integration eingeladen. Die Stationen waren besetzt mit Klient_innen und Beratenden der MBE, die über ihre Erfahrungen vor Ort berichteten und für Fragen der Gäste Rede und Antwort standen. Eindrücklich war vor allem die Geschichte einer syrischen Frau, die lange Zeit in katastrophalen Mietverhältnissen in einer verschimmelten Wohnung leben musste und erst mit Hilfe der MBE Beraterin mit ihren Kindern eine neue Bleibe gefunden hat.

Welches Fazit können Sie nach dem Aktionstag für die Beratungseinrichtungen ziehen?

Das Bild ist beim Stadtrundgang im Rahmen des Aktionstags entstanden.

Alle Teilnehmenden waren tief beeindruckt von den Berichten der Klient_innen bei den verschiedenen Stationen. Und der Aktionstag war ein guter Anlass, um miteinander ins Gespräch zukommen, so auch zur Vernetzung zwischen Behörden und den Migrationsberatungstellen. Die Aktivitäten am und rund um den Aktionstag haben einen guten Einblick in die vielfältigen Aufgaben und Themenbereiche der Migrationsarbeit geboten. Sie haben verdeutlicht, wie wichtig die Schnittstelle der MBE als Vermittlerin zwischen Klient_innen und den verschiedenen Institutionen und Behörden ist.

Was wünschen Sie sich von Entscheidungsträger_innen?

Der Zugang zu den Regeldiensten und die Integration in Deutschland waren schon vor der Corona-Pandemie wegen bürokratischer Hürden, erschwerter Zugänge und mit wenigen Deutschkenntnissen für viele Menschen ohne die Unterstützung der Migrationsberatungsstellen kaum möglich. Diese Problematik hat sich durch die Pandemie verschärft, da z.B. keine Präsenzberatungen mehr möglich waren und die mit der Pandemie einhergehenden Digitalisierungsprozesse zusätzliche Hürden geschaffen hat. Kontakte konnten zeitweise nur per Mail stattfinden, Dokumente mussten eigenständig ausgefüllt werden, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch die Problemstellungen der Menschen haben sich und werden sich perspektivisch weiter verschlechtern: Die Beratungsanfragen, die sich um Existenzsicherung, Wohnungslosigkeit und die Finanzierung des Lebensunterhalts drehen, haben sich stark erhöht. Die Migrationsberatung für Erwachsene ist daher mehr als je zuvor eine wichtige Anlaufstelle und Orientierungshilfe für die Menschen.

Daher ist unser größter Wunsch an Entscheidungsträger_innen, dass die Bedeutung der MBE bei der Integration zugewanderter Menschen in Deutschland anerkannt, wertgeschätzt und entsprechend auch langfristig weiterfinanziert wird. Und wir hoffen, dass sie auch am Aktionstag 2021 am kommenden Mittwoch, 29. September zahlreich teilnehmen und sich selbst ein Bild vor Ort machen.