3. Advent: Der harte Kampf gegen die Sucht

Mit dem Advent beginnt die Zeit des Wartens und die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Es sind Tage voller Licht und Vorfreude. Es sind auch Wochen, in denen wir oft hektisch und gestresst sind. In diesem Jahr der Corona-Pandemie ist es ein ganz besonderer Advent. Können wir Weihnachten im Kreis unserer Familien feiern? Bleiben wir gesund? Wie geht es weiter? Corona betrifft alle Menschen, aber Menschen am Rande unserer Gesellschaft besonders. Dieses Jahr stellen wir an jedem Adventssonntag Menschen und ihre Geschichten vor, die es in dieser Zeit besonders schwer haben. Wir wollen für sie in der Adventszeit ein Zeichen setzen, ihren Wünschen Gehör schenken.

Martin kämpft seit vielen Jahren gegen seine Sucht

„Scheiß Alkoholismus.“ Martin (Name geändert), 58, spuckt diese beiden Worte aus als wären sie Gift in seinem Mund. Und es stimmt ja auch: Der Alkohol hat Martins Leben vergiftet. Wegen des Alkohols ging nach langen Jahren seine Ehe in die Brüche. Wegen des Alkohols reden seine beiden Kinder kaum mehr ein Wort mit ihm, die Enkel darf er nicht sehen. Und wegen des Alkohols ist Martin jetzt hier im ambulant betreuten Wohnen und lebt von Arbeitslosengeld II, anstatt – wie eigentlich schon immer, seit er denken kann – auf eigenen finanziellen Füßen zu stehen und selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Beziehungsabbrüche, Jobverlust, finanzieller und sozialer Abstieg: Martins Geschichte ist beispielhaft für die Lebensgeschichten so vieler Menschen, die ihren Kampf gegen eine Suchterkrankung kämpfen. Er ist geprägt von den Umständen, die die Menschen hineingetrieben haben in den Kreisluft der Sucht, von großen Hoffnungen und bitterer Verzweiflung, von Angst und Zweifeln, von medizinischen Notfällen und Lebensgefahr, von Schuld und sehr viel Scham.

Die Scham. Sie ist verantwortlich dafür, dass Martin, der den Kampf gegen seine Sucht schon seit vielen Jahren kämpft, sich erst vor zwei Jahren Hilfe suchte. Immer wieder hatte er lange abstinente Phasen und gedacht, er habe den Kampf gewonnen. Doch genauso oft meldete sich die Sucht zurück, immer wieder kamen früher oder später die Rückfälle.  Lange Zeit wollte Martin es sich nicht eingestehen, dass er Hilfe benötigt. Andere kriegen es doch auch hin, dachte er sich. Und er wollte – konnte – einfach nicht darüber sprechen. Es war ihm viel zu peinlich. Damit machte er alles nur noch schlimmer.

Scham bestimmt auch Andis Leben

Auch Andi (Name geändert), 52, kennt die Scham. Darüber, dass er durch seinen Alkoholkonsum immer wieder die Kontrolle über sich verlor und vor allem darüber, dass er es nicht stoppen konnte. Auch seine Beziehung scheiterte und eines Tages waren erst der Job und dann die Wohnung weg.  Als letzten Ausweg sah er nur noch den Suizid, den sein Bruder letztlich verhindern konnte. Heute ist Andi froh darüber. Doch auch er musste erst langsam lernen, dass es keine Schande ist, um Hilfe zu bitten. Denn die Erfahrungen aus der Vergangenheit hatten ihn Anderes gelehrt: „Solange du funktionierst, bist du beliebt. Ich war immer der gesellige Typ. Auch durchaus angesehen dafür, dass ich in der Runde mal gut eine halbe Kiste Bier geschafft habe. Aber wenn es dann nicht mehr funktioniert, bist du der Versager, den man am liebsten nicht mehr kennt. Ich muss aber auch dazu sagen: Ich war ein richtiges Arschloch.“

Es gibt viele Möglichkeiten, Hilfe zu finden

Unser Suchthilfesystem bietet für Menschen wie Martin und Andi diverse Möglichkeiten, einen Weg aus der Sucht zu finden. Sucht ist eine Erkrankung und findet sich als solche in ihren unterschiedlichen Facetten in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (kurz ICD) wieder. Doch die bestehenden Hilfsangebote sind das Eine, der gesellschaftliche Umgang mit Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen ist das Andere. Schnell geraten die Betroffenen ins gesellschaftliche Abseits.

Der Weg in ein normales Leben ist lang und schwer.

Eine Rückkehr in ein „normales“ Leben ist oftmals schwer. Martin und Andi bekommen das beispielsweise bei der Jobsuche zu spüren, die der Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie nun noch schwieriger gemacht hat. Wie geht man um mit den Lücken im Lebenslauf, die von Phasen des Konsums oder durch Therapien entstanden sind? Martin hat sich vorgenommen, hier offen zu sein. Er hat die Geheimnisse und Lügen satt. Andi dagegen hat sich Begründungen zurechtgelegt. Allzu oft hat er die Erfahrung gemacht, dass er bei Arbeitgebern gegen eine Wand aus Vorurteilen rennt. Seine Suchtgeschichte. Sie ist seine Privatsache, findet er. Er hat es satt, in eine Kategorie eingeordnet zu werden, will mit seinen Fähigkeiten punkten und von einem Arbeitgeber danach beurteilt werden.

Erst kürzlich hat das Bundesgesundheitsministerium aktuelle Zahlen veröffentlicht. Den Schätzungen zufolge sind hierzulande 1,6 Millionen Menschen abhängig von Alkohol und 2,3 Millionen von Medikamenten. Etwa 600 000 Menschen sind abhängig von illegalen Drogen und weitere 500 000 Menschen sind spielsüchtig. Ins Hilfesystem schafft es nur ein Bruchteil von ihnen. Andi und Martin können sich gut vorstellen, warum das so ist. Denn der Kampf gegen die Sucht erfordert viel Kraft und das ausgerechnet an den verletzlichsten Punkten. Das strengt an.

Martin und Andi wünschen sich ein ganz normales Leben

Martin und Andi sind aber fest davon überzeugt, dass sich die Anstrengung lohnt. Beide treibt dieselbe Motivation an: Sie wollen anknüpfen an ihr altes Leben. Wieder teilhaben. Sich selbst und anderen beweisen, dass sie es schaffen können. Manches, wenn das geht, auch wiedergutmachen. Andi wünscht sich sehr eine neue Beziehung. Martin will endlich wieder arbeiten. Einfach zurück in ein normales Leben.

Spenden für die Suchthilfe

Menschen wie Andi und Martin müssen beim Kampf gegen Ihre Suchterkrankung viele Herausforderungen meistern. Dafür brauchen sie Menschen, die sie auf ihrem steinigen Weg begleiten. Die Caritas steht ihnen mit Beratungs-, Therapie- und Wohnangeboten solidarisch zur Seite. Mit einer Spende an den Solidaritätsfonds helfen Sie uns, für Menschen wie Andi und Martin da zu sein – für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen und eine helfende Hand brauchen: https://secure.spendenbank.de/form/3003/?langid=1&verwendungszweck=26603