1. Advent: Walters Alltag auf der Straße

Mit dem Advent beginnt die Zeit des Wartens und die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Es sind Tage voller Licht und Vorfreude. Es sind auch Wochen, in denen wir oft hektisch und gestresst sind. In diesem Jahr der Corona-Pandemie ist es ein ganz besonderer Advent. Können wir Weihnachten im Kreise unserer Familien feiern? Bleiben wir gesund? Wie geht es weiter?

Corona betrifft alle Menschen, aber Menschen am Rande unserer Gesellschaft besonders. Dieses Jahr stellen wir an jedem Adventssonntag Menschen und ihre Geschichten vor, die es in dieser Zeit besonders schwer haben. Wir wollen für Sie in der Adventszeit ein Zeichen setzen, ihren Wünschen Gehör schenken. Walter ist einer von Ihnen. Er ist obdachlos und wenn er sich zu Weihnachten etwas wünschen dürfte, dann wären das zum Beispiel neue Schuhe.

Ein Stadtspaziergang mit Walter

Wir haben Walter auf einem Spaziergang durch die Stadt begleitet und seinen Erzählungen zugehört: Es ist der vierte Lüftungsschacht, wenn man von unten kommend die Schlossstraße an der Hochschule für Technik in Stuttgart vorbei läuft. Hier bläst ein warmer Wind aus dem Keller des Hauses nach oben und wer sich direkt über den Schacht stellt, der kann ein wenig Wärme erhaschen. Die meisten Menschen, die hier vorbeilaufen, nehmen das gar nicht wahr. Sie brauchen diese Orte nicht. Sie können, wenn es beim Stadtbummel kühl und nass ist, in ein Café sitzen und sich aufwärmen und abends gehen sie nach Hause.
Menschen wie Walter haben aber kein Zuhause. Nach einer meist kurzen Nacht – Walter schläft immer nur im Sitzen – geht er zum Frühstück in die Tagesstätte in der Olgastraße. Dorthin führt ihn sein Weg dann auch noch zum Mittagessen. Dazwischen hofft er, gerade jetzt in der kalten Jahreszeit, sich irgendwo ein paar Augenblicke ausruhen zu können und etwas Wärme zu finden.

Walter sieht man nicht an, dass er auf der Straße lebt

Das war noch nie einfach, aber jetzt, wo die Corona-Pandemie dazu führt, dass die Aufenthaltsbereiche in öffentlichen Bibliotheken geschlossen sind oder in den Einkaufszentren viele Sitze und Bänke gesperrt sind, wird es immer schwieriger, einen Platz in der Stadt zu finden.

Walter hat kein Zuhause. Er schläft jede Nacht draußen. Irgendwo in der Stadt. Walter ist Ende 50, hatte einmal einen ganz normalen Beruf, ist dann arbeitslos geworden und lebt nun seit einigen Jahren auf der Straße. Wer Walter auf der Straße begegnet, sieht einen unauffälligen Mann. Seine Kleider sind sauber, die grauen Haare hat er kurz frisiert. Er könnte ein Lehrer sein oder auf einem Amt arbeiten, könnte gerade von seiner Familie vom Frühstückstisch kommen und auf dem Weg zu einem Termin in der Stadt sein.

„Ich bemühe mich, so auszusehen, dass ich nicht auffalle“, sagt Walter. Er kennt viele der Menschen, die wie er auf der Straße leben. An der U-Bahn Haltestelle am Börsenplatz sitzen oben die Menschen, die jeden Tag viel Geld bewegen, unten schlafen diejenigen, die keines haben. Menschen wie Walter können sich jetzt auch nicht mehr in einer der Bibliotheken oder in der Volkshochschule am Rotebühlplatz tagsüber aufhalten und Zeitung lesen oder ein Nickerchen machen, weil alle diese Orte jetzt nur noch für die Kunden geöffnet sind.

Es braucht nicht viel, um ihm eine Freude zu machen

Unterwegs reden wir über Dinge, die das Leben auf der Straße ein klein wenig erträglicher machen: Walter muss nicht lange nachdenken: „Gute Schuhe sind so wichtig.“ Das größte Geschenk sei für ihn ein Gutschein, um sich neue Schuhe kaufen zu können. Solche, die passen, die noch nicht ausgetreten sind und in denen man lange laufen kann. Denn Menschen wie Walter können ihre Schuhe nicht so oft ausziehen. 

Walter kämpft jeden Tag um seine Würde und er gibt auch nicht auf. „Ich habe noch Pläne“, sagt er und verrät, dass er gerne noch einmal auf Montage ins Ausland gehen will, wie er das früher getan hat. Arbeiten, zeigen wie vielseitig er ist und sein eigenes Geld verdienen.

Solidartitätsfonds

Für Menschen wie Walter wurde der Solidaritätsfonds eingerichtet. Mit Ihren Spenden finanzieren wir warme Mittagessen, warme Duschen und ja – vielleicht auch ein neues Paar warme Schuhe. Mit dem Solidaritätsfonds unterstützen Sie die Menschen, die in Stuttgart am Rande der Gesellschaft leben. Spenden können Sie hier: https://secure.spendenbank.de/form/3003/?langid=1&verwendungszweck=26603