Annika Hartmann

#Alltagshelden: Annika Hartmann

Annika Hartmann ist eine von zwei Mitarbeiterinnen der Fachstelle für Familiennachzug des Caritasverbandes für Stuttgart e.V.. Die Fachstelle ist die einzige dieser Art in ganz Stuttgart, welche geflüchteten Menschen hilft bürokratische Hürden zu überwinden um ihre Lieben in Sicherheit zu bringen. Ins Leben gerufen wurde die Fachstelle im April 2019. Annika Hartmann hat an dem Konzept dieses Projektes des Caritasverbandes für Stuttgart e.V. mitgeschrieben und ist um ihre Klientel sehr besorgt: „Diese Menschen haben große Sorgen um ihre Familien im Ausland. Es ist sehr schwer sich auf den Deutschunterricht zu konzentrieren oder Formulare zu verstehen, wenn man in stetiger Angst darüber lebt, ob die Familie noch am Leben ist.“

Fachstelle für Familiennachzug erst seit 2019

Man müsste meinen, die Fachstelle gebe es schon seit einigen Jahren, oder spätestens seit dem Beginn des Syrienkonfliktes. Tatsache ist, die Fachstelle existiert es erst seit einem Jahr und vier Monaten; und zwar deshalb, weil der Caritasverband feststellte, dass es in Stuttgart keine andere Fachstelle gibt, welche geflüchteten Menschen mit ihren Familien hilft. „Fast immer hapert es an der Sprache und bürokratischen Hürden. Zudem lähmt die Angst um die Familie.“ Finanziert wird die Fachstelle momentan in Gänze durch das Bischöfliche Ordinariat Rottenburg-Stuttgart.

Diese Menschen dürfen ihre engste Familie ins Land holen

Die Fluchtgeschichte muss bei Annika Hartmann niemand erneut erzählen: „Natürlich interessieren mich die individuellen Schicksale. Relevant für meine Arbeit ist aber primär der zugesprochene Schutzstatus.“ Wer die Flüchtlingseigenschaft erhält, hat einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Menschen mit subsidiärem Schutz, deren Heimat beispielsweise ein Kriegsgebiet ist, können ebenfalls den Familiennachzug beantragen. Diese fallen aber unter ein Kontingent, bei dem bundesweit nur 1000 Personen pro Monat ausgewählt werden. „Es sind bundesweit nur 1000 Menschen, die befristet ins Land kommen dürfen.“

Familiennachzug bei subsidiärem Schutz durch Ranking-System?

Die Entscheidung zur Bewilligung wird durch mehrere Behörden getroffen. Darunter das Bundesverwaltungsamt, die jeweilige deutsche Botschaft und die Ausländerbehörde. Wie die Entscheidung getroffen wird, ist nicht transparent. Annika Hartmann geht von einem Ranking-System aus, welches Integrationsfähigkeit sowie humanitäre Aspekte berücksichtigt. „Oft leben geflüchtete Menschen monate- bis jahrelang in Angst um ihre Familie, bis der Antrag auf Familiennachzug genehmigt wurde.“

Viele Menschen haben kein Recht auf Familiennachzug

Besonders schmerzt es, wenn Geflüchtete ihre Familie gar nicht nachholen können – temporär oder sogar dauerhaft. Leider müssen viele Geflüchtete selbst von der Fachstelle abgelehnt werden. „Besteht kein Rechtsanspruch auf Familiennachzug, kann ich nicht helfen“, bedauert Annika Hartmann. Dabei wäre es manchmal doch so sinnvoll Geschwister nachzuholen. Geschwister sind manchmal die einzig verbliebene Familie. Doch diese Art der Familienzusammenführung ist gesetzlich nicht geregelt. Geflüchtete mit dem Status „Abschiebeverbot“ oder einer Duldung haben ebenfalls keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug.

Familienzusammenführung dauert oft mehrere Jahre

Familienzusammenführungen dauern aufgrund der Komplexität, der verschiedenen beteiligten Behörden und der langen Wartezeit für einen Botschaftstermin meist ein bis mehrere Jahre. Deshalb kann Annika Hartmann erst zwei erfolgreiche Nachzüge verbuchen. Ihr erster Erfolg: Eine syrische Frau konnte doch recht schnell aus dem Libanon nach Deutschland einreisen: „Der Fall lag schon ca. sechs Monate bei der deutschen Behörde. Dort habe ich einfach mal nachgefragt und um Sachstand gebeten. Eine Woche später kam die Zustimmung der deutschen Behörde und wenige Tage danach die Erteilung des Visums durch die deutsche Botschaft in Beirut.“

Eine andere erfolgreiche Geschichte, gerade noch rechtzeitig vor dem „Lockdown“: Drei Kinder aus Kamerun, welche mehrere Jahre in Kamerun bei ihrer Tante lebten, konnten zu ihrer Mutter nach Deutschland geholt werden. Das war herausfordernd, denn es galt bürokratische Hürden zu überwinden: Minderjährige, alleinreisende Kinder brauchen nicht nur eine Begleitperson bei der Airline und an Transitflughäfen, es werden viele Unterlagen benötigt: Visum, Reisepässe, Tickets, Reisevollmachten inkl. Geburtsurkunden sowie Sorgerechtserklärungen, die die Ausreise durch beide Elternteile genehmigen. Zudem war die Krankenversicherung der Kinder nicht geklärt und Annika Hartmann musste bei der AOK eine Bestätigung einholen, dass die Kinder bei der Mutter mitversichert werden können.

Angst um die Familie lähmt

Für ihre künftige Arbeit wünscht sich Annika Hartmann, dass die Politik erkennt wie wichtig es ist, dass der Familiennachzug schnellstmöglich stattfindet. „Die Integrationsfähigkeit eines Menschen ist eingeschränkt, wenn die Familie nicht in Sicherheit, teils in Lebensgefahr ist. Diese enorme psychische Belastung sollte nicht durch bürokratische Hürden in die Länge gezogen und den Menschen zugemutet werden, die sowieso schon Furchtbares erlebt haben.“

Mehr Informationen zur Fachstelle für Familiennachzug des Caritasverbandes für Stuttgart e.V. erfahren Sie hier: https://www.caritas-stuttgart.de/hilfe-beratung/migration-integration-und-flucht/fluechtlingshilfe/fachstelle-fuer-familiennachzug/fachstelle-fuer-familiennachzug